Den Berufsabschluss nachzuholen ist für Arbeitnehmer und Arbeitsuchende über 25 Jahren oft eine große Herausforderung. Mit der Teilqualifizierung erhalten sie die Chance, einen von mehr als 30 Ausbildungsberufen nachträglich zu erlernen. Aber funktioniert dieses Angebot in der Realität wirklich? „Ja”, sagt Julia Othmer, Senior Consultant Arbeitsmarktprojekte bei Randstad, im Interview. Sie betreut Teilqualifizierungs-Projekte bei Randstad und ist sich sicher, dass alle Beteiligten profitieren. 

Randstad ermöglicht seinen Arbeitnehmern mittels einer Teilqualifizierung bekannte Ausbildungsberufe schrittweise zu erlernen. Warum ist das für Randstad ein Anliegen? 

Julia Othmer: Die Teilqualifizierung bietet viele Vorteile für alle Beteiligten. Das Schlagwort Fachkräftemangel hört man immer wieder, und die Bedeutung wird täglich im Rahmen der Bewerberauswahl bzw. eher im Bewerbermangel deutlich. Wir haben viele Mitarbeiter – insbesondere im gewerblichen Bereich – die leider bisher nicht die Möglichkeit hatten, einen Berufsabschluss zu erwerben oder den erlernten Beruf weiterhin auszuüben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie bringen die Motivation mit, noch „mehr“ aus sich machen zu wollen. Doch haben sie ohne einen erlernten Beruf langfristig keine Chance, sich im Berufsleben weiterzuentwickeln. 

Durch das Konzept der Teilqualifizierung sehen wir die Möglichkeit, die Potenziale in den eigenen Reihen zu nutzen. Wir können unseren Mitarbeitern so die Möglichkeit geben, im Berufsleben einen Schritt weiterzukommen, und binden die Teilqualifizierungen auch noch zielführend in unsere Kundenprojekte ein. 

Sie betreuen seit 2018 Teilqualifizierungs-Projekte bei Randstad. Wie reagieren Mitarbeiter auf das Angebot? 

Julia Othmer: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Mitarbeiter zunächst sehr zögerlich reagieren. Es ist ihnen im ersten Moment oft nicht bewusst, welche Chance sich ihnen gerade bietet. Viele verbinden allerdings auch die Vorstellung von Lernen mit schlechten Erfahrungen und Erinnerungen an Schule und Prüfungen. Der Zuspruch ist daher zunächst nicht sehr hoch. 

Ein wesentlicher Vorteil ist hier für uns das Modulprinzip. Wir haben die Möglichkeit, den Mitarbeitern ein Modul zum Testen anzubieten. Sollte es ihnen nicht gefallen, können sie wieder aufhören. Dies hat deutlich gezeigt, dass es Druck und Versagensängste reduziert. Die Mitarbeiter lassen sich darauf ein und testen die Teilqualifizierung. Viele der Mitarbeiter machen dann sehr gern weiter. Sie machen die Erfahrung, dass Lernen auch anders geht, und selbst die Abschlussprüfung eines Moduls ist für sie schon ein sehr großer Erfolg und motiviert zu mehr. Neben den Versagensängsten stehen viele auch schon mitten im Leben und sind für ihre Familien verantwortlich. Sie haben hier oft sehr schnell finanzielle Bedenken. Da aber das Arbeitsverhältnis mit uns weiterläuft, sind sie auch hier abgesichert und können diese Chance ohne Bedenken für sich nutzen. 

Wie laufen die Teilqualifizierungs-Projekte ab und wie lautet Ihr bisheriges Fazit? 

Julia Othmer: Randstad hat bundesweit sehr viele verschiedene Qualifizierungsprojekte und bindet in diese auch das Format der Teilqualifizierung ein. In Niedersachsen und Bremen haben wir seit Herbst 2018 an 7 Standorten versucht, ein Konzept der Teilqualifizierungen zu etablieren. Diese Projekte laufen in unterschiedlichen Formaten. Sie werden z. B. mit Beteiligungen von internen Mitarbeitern eines Kunden direkt vor Ort beim Kunden durchgeführt oder finden beim Bildungsträger gemeinsam mit Kunden der Agentur für Arbeit statt. 

Diese Beispiele machen die vielfältige Nutzungsweise der Teilqualifizierung deutlich. Das Qualifizierungsziel wird daher je nach Modell in einem unterschiedlichen Tempo erreicht. Im Jahr 2020 hatten wir erstmals Mitarbeiter, die sich zur externen IHK-Prüfung anmelden konnten. Alle 4 Prüflinge haben erfolgreich bestanden. Im Herbst folgten 7 weitere Prüflinge, und auch von ihnen haben 6 die externe IHK-Prüfung zum Maschinen- und Anlagenführer bestanden. 

Insgesamt werden ca. 25 Mitarbeiter durch die Teilqualifizierung in 2020 und 2021 die Möglichkeit zur Zulassung zur externen IHK-Prüfung erreicht haben. Hinzu kommen weitere Mitarbeiter, die die Teilqualifizierung aufgrund verschiedener Ursachen abbrechen mussten, z. B. aufgrund einer Krankheit, einer Schwangerschaft oder eines Umzugs. Aber auch hier ist die Teilnahme durch die einzelnen abgeschlossenen Module ein Erfolg und motiviert zum Weitermachen.

Teilqualifizierung ermöglicht das nachträgliche Erlernen eines von mehr als 30 Ausbildungsberufen.
Teilqualifizierung ermöglicht das nachträgliche Erlernen eines von mehr als 30 Ausbildungsberufen.

Was macht dieses Projekt so besonders? Wie geht es in Zukunft mit der Teilqualifizierung weiter?

Julia Othmer: Für mich persönlich ist das Besondere an dem Konzept, dass es für unsere Mitarbeiter eine Chance bietet, die ihr Leben nochmal maßgeblich verändert und sonst wahrscheinlich in dieser Form nicht mehr eingetreten wäre. Wir ermöglichen hier als Arbeitgeber etwas, das fürs Leben nachhaltig Bedeutung hat. Gleichzeitig bietet dieses Format für uns als Unternehmen und für die Herausforderungen unserer Kunden Lösungen an. Das Konzept ist daher eine absolute Win-win-Situation ohne versteckte Nachteile für die Beteiligten. Diese Gegebenheiten findet man in dieser Form selten. 

Aufgrund der Erfahrungen zeigt sich, dass das Konzept aber durch die Rahmenbedingungen nicht überall umgesetzt werden kann. Hier kommen verschiedene Schritte zusammen, die man bedenken muss. Man muss vorab genau schauen, ob die Teilqualifizierung langfristig umgesetzt werden kann. Hierfür ist es auch relevant, in den Austausch mit allen Beteiligten zu gehen. Es kostet Zeit und Geduld, bis man das erste Modul final umsetzen kann. Wir möchten daher nach der Pilotphase die Teilqualifizierungen weiterhin sehr gern anwenden. Es ist jedoch ein Instrument, das man nur selektiv nutzen kann, und so werden wir es auch einsetzen.

Wieso ist es wichtig, dieses Angebot aufrecht zu halten? 

Julia Othmer: Als Unternehmen hat man auch eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern. Dieses Angebot ist für unsere Mitarbeiter eine wirkliche Chance und gleichzeitig für uns als Unternehmen auch ein guter Prozess in unserer Kundenbetreuung. Diese Win-win-Situation sollte man weiterhin nutzen und den Mitarbeitern die Gelegenheit geben, nochmal einen Schritt weiter im Berufsleben gehen zu können. Der Fachkräftemangel bleibt weiterhin bestehen, aber wenn wir einen Teil zur Lösung beitragen können, sollten wir das tun.

 

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Um unsere Mitarbeiter und Bewerber in ihrer individuellen Entwicklung zu fördern, arbeitet die Randstad Akademie kontinuierlich an neuen, innovativen Konzepten. Mit zahlreichen Qualifizierungsmodellen bereiten wir Arbeitnehmer gezielt auf ihre Arbeit in Unternehmen vor und unterstützen deren berufliche Weiterbildung. Jetzt mehr über die Randstad Akademie erfahren.

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