Was ist eine innere Kündigung?

Eine innere Kündigung bezeichnet man auch als „stilles Kündigen”. Dieser Begriff leitet sich vom Englischen ab, bei dem man von „Silent Quitting“ spricht. Hier beendet der Arbeitnehmer seinen Job rein gedanklich, obwohl das reale Arbeitsverhältnis weiterhin besteht. Erreicht eine Arbeitskraft einmal den Zustand der mentalen Jobkündigung, ist die Arbeitsleistung und Motivation stark beeinträchtigt. Dabei erledigt die betroffene Person nur noch die beruflichen Mindestanforderungen ihres Arbeitsvertrages. Es handelt sich dabei um ein psychologisches Phänomen der Leistungsverweigerung. 

Doch wie kommt es so weit, dass jemand seine berufliche Tätigkeit innerlich aufgibt und welche Ursachen stecken dahinter? Was können betroffene Arbeitnehmer dagegen tun und was sind mögliche Gegenmaßnahmen? Lesen Sie im folgenden Beitrag mehr über die Gründe, warum Mitarbeiter in Gedanken kündigen, wie Sie als Führungskraft damit umgehen können und welche Lösungsansätze sich in dieser Situation anbieten.

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Psychologischer Arbeitsvertrag

Der sogenannte „psychologische Arbeitsvertrag” spielt beim Thema innere Kündigung eine zentrale Rolle und unterscheidet sich vom juristischen Dienstvertrag. Während der rechtliche Vertrag den Umfang und die Art der beruflichen Tätigkeit festlegt, ist der psychologische Arbeitsvertrag ein stilles Übereinkommen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber. Er stellt eine gängige gesellschaftliche Konvention unserer Arbeitswelt dar. Diese Übereinkunft bildet die Basis der persönlichen Beziehung beider Parteien. Beide Vertragspartner haben hierbei unterschiedliche Erwartungen aneinander. Diese gehen über die Vereinbarungen im rechtsgültigen Beschäftigungsvertrag hinaus.

So erwartet der Arbeitnehmer von seinem Arbeitsplatz beispielsweise:

  • eine faire Bezahlung
  • einen sicheren Arbeitsplatz
  • Anerkennung
  • berufliche Aufstiegschancen

Im Gegenzug erhofft sich der Arbeitgeber von seinem Angestellten zum Beispiel, dass er über folgende Eigenschaften und Qualitäten verfügt:

  • Leistungsbereitschaft/Engagement
  • Loyalität
  • Bereitschaft zur Weiterentwicklung
  • soziale Kompetenzen
  • Stressresistenz

Hierbei ist anzumerken, dass sich die individuellen Vorstellungen und die Erwartungshaltungen der einzelnen Beteiligten stark voneinander unterscheiden können. Denn anders als beim klassischen Beschäftigungsvertrag bestehen beim psychologischen Vertrag keine festen Regeln. Somit wissen Vorgesetzte oftmals gar nicht, welche individuellen Wünsche der jeweilige Mitarbeiter an das Dienstverhältnis hat. Enttäuscht der Chef die Erwartungshaltung seines Angestellten, besteht die Gefahr, dass Brüche im psychologischen Dienstvertrag entstehen.

Dieser Vorgang gleicht einem Vertrauensbruch, der eine sogenannte „Gratifikationskrise” im Job auslösen kann. Bei einer Gratifikationskrise hat die Arbeitskraft den Eindruck, dass sie trotz ihrer Mühen und erbrachten Leistungen keine Anerkennung erhält. Das wirkt sich wiederum in negativer Weise auf die Arbeitsleistung, die Motivation und die Zufriedenheit des Beschäftigten aus. Im schlimmsten Fall beschließt der betroffene Arbeitnehmer, innerlich zu kündigen. Infolgedessen leistet er nur mehr seine beruflichen Pflichten ab und ist zunehmend weniger leistungsbereit.

Woman having a conversation
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Ursachen von innerer Kündigung

Die Liste der Ursachen für eine innere Kündigung ist lang. Meist sind davon Mitarbeiter betroffen, die zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses ausgesprochen motiviert waren und nur vor innovativen Ideen, Kreativität und Optimismus sprudelten. Negative Erfahrungen und Enttäuschungen am Arbeitsplatz haben ihre Träume vom idealen Job platzen lassen. Fehlende Perspektiven, ständiger Leistungsdruck, terminlicher Stress und schlechte Entlohnung sind nur einige der Gründe, warum Arbeitnehmer innerlich kündigen. 

Zu den weiteren möglichen Auslösern von Silent Quitting gehören:

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Anzeichen

Eine innere Kündigung ist ein schleichender Prozess, wobei sich zu Beginn oftmals nicht einmal Betroffene dieser Tatsache bewusst sind. Daher ist es wichtig, dass Arbeitgeber die ersten Merkmale und Symptome von innerer Kündigung erkennen. Denn meist fällt dem Arbeitsumfeld der mentale Rückzug aus dem Job erst auf, wenn es zu spät ist. 

Folgende Anzeichen sind typisch für das stille Beenden des Arbeitsverhältnisses:

Desinteresse

Desinteresse ist eines der klassischen Symptome von innerer Kündigung. Arbeitgeber erkennen fehlendes Interesse ihrer Angestellten daran, dass sie von ihren täglichen Aufgaben gelangweilt sind. Sie stellen keine Fragen mehr und sind allgemein antriebslos. Abgesehen von der nicht mehr vorhandenen Begeisterung für den Beruf zeigen Betroffene häufig auch kein Interesse mehr an den sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz. 

Konformismus

Arbeitnehmer, die ihren Beruf innerlich aufgegeben haben, finden sich teilweise mit ihrer prekären Lage ab. Sie nehmen unangenehme Begleitumstände wie innerbetriebliche Veränderungen, unfaire Arbeitsbedingungen oder ein unterkühltes Mitarbeiterklima einfach hin. Zugleich verzichten sie darauf, dem Arbeitgeber ihre eigenen Anliegen und Interessen mitzuteilen. Dadurch versuchen die betroffenen Mitarbeiter, ihre Unzufriedenheit am Arbeitsplatz zu verschleiern. Aus diesem Grund bleibt eine innere Kündigung lange Zeit vom beruflichen Umfeld unerkannt. Wenn Ihr Mitarbeiter zu Beginn seiner Tätigkeit oder in den vergangenen Jahren dazu neigte, ihn störende Probleme und Dinge anzusprechen, dies nun aber nicht mehr tut, sollten Sie als Führungskraft hellhörig werden.

Passivität

Haben Mitarbeiter im Stillen gekündigt, empfinden sie den Joballtag als Qual. Sie fühlen sich der Situation am Arbeitsplatz ausgeliefert. Das zeigt sich in mangelnder Eigeninitiative und fehlender Bereitschaft, sich in berufliche Angelegenheiten einzubringen. Klassische Anzeichen dafür sind beispielsweise das Schweigen in Teammeetings, das Warten auf Anweisungen oder das ständige Aufschieben wichtiger Aufgaben. 

Mangelnde Kreativität

Kreativität ist in der modernen Arbeitswelt ein hohes Gut und daher eine begehrte Eigenschaft von Arbeitnehmern. Das Nachlassen kreativer Ideen und produktiver Einfälle ist kennzeichnend für das Phänomen des innerer Kündigung. Zur gleichen Zeit verlieren Mitarbeiter zunehmend den Willen und die Fähigkeit, lösungsorientiert zu denken. Damit geht eine Abnahme der Produktivität und der Arbeitsqualität einher. Infolge empfinden Beschäftigte keine Freude mehr am Job und fühlen sich immer ausgebrannter.

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Verlauf

Generell unterscheidet man beim Prozess der mentalen Kündigung bis zu fünf Phasen:

Phase 1

Im ersten Stadium treten aufgrund von beruflichen Enttäuschungen oder negativen Erfahrungen langsame Zweifel auf, ob der eigene Job noch erfüllend ist. Es folgen immer wiederkehrende negative Gedanken am Arbeitsplatz. Der Arbeitnehmer verspürt eine innere Abneigung gegen die eigene berufliche Tätigkeit und erledigt mit Widerwillen das Mindestmaß an Aufgaben.

Phase 2

Die zweite Phase des innerer Kündigung ist von tiefer Frustration gekennzeichnet, die in Teilnahmslosigkeit, mangelnder Konzentration und fehlender Leistungsbereitschaft Ausdruck findet. Der Beruf wird als reine Pflicht und notwendiges Übel empfunden.

Phase 3

In der dritten Entwicklungsstufe des stillen Kündigens sind psychosomatische Begleiterscheinungen am Arbeitsplatz keine Seltenheit. Sobald die betroffene Person im Büro eintrifft, wird ihr übel, sie bekommt regelmäßig Bauchschmerzen oder leidet unter Migräneanfällen. Überdies entfernt sie sich emotional immer weiter vom Arbeitsplatz. Es fühlt sich für den leidtragenden Arbeitnehmer so an, als würde er die Zeit im Unternehmen lediglich „absitzen“. 

Phase 4

Hat eine Arbeitskraft die vierte Stufe von innerer Kündigung erreicht, tritt ihr geistiger Rückzug aus dem Arbeitsverhältnis deutlich hervor. Langsam macht sich der innere Frust gegenüber dem Job auch bei den Kollegen bemerkbar. Zur gleichen Zeit gerät der Arbeitnehmer zunehmend aus dem seelischen Gleichgewicht, was sich in erhöhter Reizbarkeit und passiv-aggressivem Verhalten äußern kann. Viele Arbeitgeber bemerken oftmals erst an diesem Punkt, dass etwas nicht stimmt. Obendrein verstärken sich Konflikte am Arbeitsplatz und die Zusammenarbeit mit dem betroffenen Mitarbeiter gestaltet sich immer schwieriger.

Phase 5

Die fünfte Phase der inneren Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist von Wut, geringem Selbstwert und tiefer Enttäuschung geprägt. An diesem Punkt nimmt nicht nur das Arbeitsumfeld davon Notiz, sondern auch der Familien- und Freundeskreis des Angestellten. Er fühlt sich seelisch ausgebrannt und geht schließlich zur tatsächlichen Leistungsverweigerung über.

Wie lange der Prozess der inneren Kündigung letztendlich dauert, ist unterschiedlich und vom jeweiligen Menschen abhängig. Oftmals verharren Angestellte monate- und jahrelang in diesem Zustand, bis die Lage am Arbeitsplatz eskaliert.

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Folgen von innerer Kündigung

Eine innere Kündigung kann sich maßgeblich auf den Erfolg des Unternehmens auswirken. Die wirtschaftlichen Schäden für das Unternehmen, welche aus der mentalen Arbeitsverweigerung eines Mitarbeiters resultieren können, sind nicht zu unterschätzen. Denn dieser erledigt berufliche Aufgaben nachlässig, ist unaufmerksam und neigt zu Fehlern. Besonders ungünstig ist die Situation, wenn es sich um einen Beruf mit Kundenkontakt handelt. Dann kann das negative Verhalten des Angestellten auf die gesamte Firma zurückfallen.

Ebenso ist es möglich, dass sich die unproduktive und destruktive Verhaltensweise einer Arbeitskraft auf das Betriebsklima auswirkt und die Produktivität weiterer Teile der Belegschaft negativ beeinflusst

Aber eine innere Kündigung kann sich nicht nur schädigend auf das Unternehmen, sondern auch auf die Karriere des Mitarbeiters auswirken. Zudem besitzt diese Problematik auch das Potenzial, betroffene Arbeitnehmer krank zu machen. Depressionen, Burnout, Suchtverhalten und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nur wenige ihrer Folgeerscheinungen, die zu vermehrten Krankschreibungen sowie vorzeitigem Renteneintritt führen können. Daneben kann der gedankliche Rückzug aus dem Beruf auch negative Folgen für das Privatleben von Betroffenen haben. innerer Kündigung zieht somit auch Freundschaften, Beziehungen und familiäre Verhältnisse in Mitleidenschaft.

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Was kann die Führungskraft tun?

Die beste Gegenmaßnahme gegen Silent Quitting ist, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter erst gar nicht in diese Lage bringen. Das Schlüsselwort heißt hierbei „Prävention”.

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Zentral ist dabei, dass Vorgesetzte die Zufriedenheit des Personals stets im Auge behalten.

Das kann zum Beispiel mittels regelmäßiger Umfragen zur Mitarbeiterzufriedenheit erfolgen. Daneben besteht die Möglichkeit, für mehr Abwechslung im Berufsalltag zu sorgen. Denn auch Monotonie und Langeweile gelten als Auslöser für eine stille Kündigung. Maßnahmen wie Job-Rotation, gemeinsame außerbetriebliche Aktivitäten oder Gruppenarbeiten haben einen positiven Effekt auf die Zufriedenheit der Belegschaft. Ferner sind auch das Anbieten flexibler Arbeitszeitmodelle sowie Corporate Benefits Optionen, um Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen zu binden.

Regelmäßige Mitarbeitergespräche

Wie bei vielen Problemen und Konflikten im Berufsalltag, ist auch bei einer drohenden inneren Kündigung Kommunikation eine geeignete Präventionsmaßnahme. Daher sollten Arbeitgeber bei ersten Anzeichen einer geistigen Resignation das offene Gespräch mit dem Betroffenen suchen. Das kann beispielsweise im Rahmen einer Mediation sein. Hier haben Arbeitskräfte die Gelegenheit, über die Gründe ihrer Unzufriedenheit oder Frustration zu sprechen. 

Nach der Analyse bestehender Probleme sowie vorhandener Wünsche und Ziele wird gemeinsam eine Problemlösung erarbeitet. Möchte der Mitarbeiter vielleicht interessantere Aufgaben erledigen? Oder fühlt er sich eventuell in einer anderen Firmenabteilung wohler? Alle diese Themen können und dürfen bei einer Mediation zur Sprache kommen. Entscheidend ist hierbei, dass Führungskräfte ein offenes Ohr haben und einen nicht wertenden Umgang mit betroffenen Arbeitnehmern pflegen. Sollte es für beide Parteien nicht möglich sein, zu einer zufriedenstellenden Lösung zu kommen, ist eine Kündigung im beiderseitigen Einvernehmen möglich. 

>>> Lesen Sie hier weitere Tipps zum Umgang mit schwierigen Mitarbeitern.

Führungsstil überdenken

Da stilles Kündigen oftmals auf das Fehlverhalten von Führungskräften zurückzuführen ist, sind Schulungen im Bereich Leadership sinnvoll. Im Vordergrund sollte eine wertschätzende Behandlung der Mitarbeiter stehen. Darüber hinaus ist es hilfreich, wenn sich Vorgesetzte in Einfühlungsvermögen üben und eine vorurteilsfreie Haltung gegenüber frustrierten Mitarbeitern an den Tag legen. Zudem ist die Fähigkeit, konstruktive Kritik zu äußern, ausschlaggebend für den gesunden und respektvollen Umgang mit Arbeitnehmern.

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Was Arbeitnehmer tun können

Wer bei sich selbst Anzeichen und Symptome einer inneren Kündigung festgestellt hat, kann verschiedene Gegenmaßnahmen ergreifen. Zunächst ist es wichtig, in sich zu gehen und sich zu fragen, ob man in Zukunft noch ein Teil des Unternehmens sein möchte. Ist das nicht der Fall, bietet sich eine berufliche Umorientierung an. Hier sollten Sie zuerst überlegen, welche innerbetrieblichen Optionen bestehen. Möglicherweise gibt es die Chance auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Sind jedoch alle Lösungsmaßnahmen bereits ausgeschöpft, kann sich ein Jobwechsel als sinnvoll erweisen. 

Daneben ist es denkbar, eine Lösung für die eigene berufliche Unzufriedenheit außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses zu suchen. Vielleicht fehlt Ihnen ein Ausgleich im Privatleben zu Ihrem Beruf? Das kann zum Beispiel ein Hobby wie Malen oder eine sportliche Aktivität wie Schwimmen sein. Überlegen Sie auch, ob eine berufliche Auszeit in Form eines Sabbaticals im Bereich des Möglichen liegt. Dieses dient dazu, sich vom beruflichen Stress zu erholen und neue Energie zu tanken. Manche nutzen diese Pause, um beispielsweise eine Weltreise zu machen, eine neue Sprache zu erlernen oder ihre privaten Leidenschaften und Interessen zu entdecken.

Man standing in bus.
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FAQ

Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Thema innere Kündigung: