Ja, nein, vielleicht? Welchen Stellenwert haben Überstunden?

Die Kollegin ist noch eine weitere Woche krank, der Vertrieb hat einen neuen Auftrag an Land gezogen oder die Urlaubszeit muss überbrückt werden: Gründe für Mehrarbeit gibt es viele und in den meisten Fällen sind sie durchaus berechtigt. Dennoch halten viele Mitarbeiter die andauernde Mehrbelastung durch Überstunden nicht aus, der Druck ist auf lange Sicht einfach zu hoch. Wie viele Überstunden sind gesetzlich erlaubt und müssen Arbeitnehmer zwingend einspringen oder dürfen sie Grenzen setzen bzw. sich gar weigern? Das Arbeitszeitgesetz gibt den Rahmen vor, doch auch der Tarifvertrag, betriebliche Vereinbarungen sowie der eigene Arbeitsvertrag spielen eine Rolle. Von der Vergütung der Überstunden bis zum Freizeitausgleich, vom Nein-Sagen über die gesetzlichen Ausnahmen gibt es einiges, was Arbeitnehmer wissen sollten. Dieser Beitrag informiert über alles Wissenswerte zu Überstunden und Mehrarbeit.

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Überstunden oder Mehrarbeit – die Unterschiede

Sind Überstunden Mehrarbeit? Auch wenn Überstunden im wahrsten Sinne „mehr Stunden“ bedeuten, fallen sie nicht zwingend unter den gesetzlich definierten Begriff „Mehrarbeit“.

Mehrarbeit liegt vor, wenn die gesetzliche oder tarifliche Höchstarbeitszeit überschritten wird. Überstunden bedeuten die Überschreitung der für den Arbeitnehmer geltenden regelmäßigen Arbeitszeit, die sich aus dem Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder der Betriebsvereinbarung ergibt.

Wer also länger arbeitet, als vertraglich vereinbart, leistet Überstunden. Dabei ist zunächst unerheblich, ob das weitere dreißig Minuten nach Feierabend sind, um den Auftrag noch abzuschließen oder ein zusätzlicher Nachmittag in der Woche, um den Kollegen zu vertreten, der einen wichtigen privaten Termin hat. Unter Überstunden fallen alle Arten zusätzlicher Arbeit, die nicht innerhalb der eigenen vereinbarten Arbeitszeit erledigt werden können. 

Beispiel: Eine Angestellte arbeitet normalerweise täglich vier Stunden und weitet diese Zeitspanne während des Urlaubs der Kollegin auf zwei weitere Stunden am Tag aus. Damit arbeitet die Angestellte statt zwanzig Stunden pro Woche für einen begrenzten Zeitraum dreißig Stunden. Es fallen zehn Überstunden pro Woche an.

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt fest, wie lange Arbeitnehmer arbeiten dürfen und welche Ruhepausen und Ruhezeiten einzuhalten sind und welche Vorschriften für Sonn- und Feiertage gelten. So regelt §3 ArZG: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.” Arbeitet ein Arbeitnehmer werktäglich also mehr als acht Stunden täglich bzw. 40 Stunden pro Woche, liegt Mehrarbeit im arbeitsrechtlichen Sinne vor.

Beispiel: Die oben genannte Angestellte arbeitet zunächst ihre vertraglich vereinbarten vier Stunden und macht danach vier Überstunden, bis sie die werktägliche Höchstgrenze von acht Stunden erreicht hat. Sie arbeitet noch eine weitere Stunde, weil sie noch dringende Arbeiten erledigen möchte. Diese eine Stunde ist Mehrarbeit. Sie kommt auf insgesamt 9 Arbeitsstunden:

  • 4 Stunden arbeitsvertragliche Arbeitszeit
  • 4 Überstunden
  • 1 Stunde Mehrarbeit

Unterschied zwischen geplanten und ungeplanten Überstunden

Der Unterschied zwischen den beiden Varianten besteht in der Vorankündigung. Während geplante Überstunden im Dienstplan stehen und einfacher bei Teilzeitkräften anfallen, fallen ungeplante Überstunden ohne Vorankündigung sofort an.

Beispiel für geplante Überstunden

Frau A arbeitet wöchentlich 30 Stunden im Krankenhaus. In der Urlaubszeit springt sie für eine Kollegin ein und arbeitet 40 Stunden. Die zusätzlichen 10 Stunden stehen im Dienstplan und sind damit geplante Überstunden.

Beispiel für ungeplante Überstunden

Herr B arbeitet wöchentlich 25 Stunden im Einzelhandel. Im Dezember fällt ein Kollege krankheitsbedingt aus, zudem sind vermehrt Käufer unterwegs, um für die Feiertage einzukaufen. Der Abteilungsleiter bittet Herrn B am Freitag außerplanmäßig auch am stark frequentierten Samstag einzuspringen, obwohl dies im Dienstplan nicht vorgesehen war. Herr B springt freiwillig ein. In diesem Fall macht Herr B ungeplante Überstunden.

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Gründe für Überstunden

Müssen Überstunden sein? Oder hat der Abteilungsleiter dem Unternehmer vielleicht zu leichtfertig, und auf Kosten der Mitarbeiter, den nahen Projektabschluss versprochen? 

Fallen Überstunden an, könnten gleich eine Reihe von Gründen dafür ursächlich sein:

Ein Mann schweißt etwas
Ein Mann schweißt etwas

Dienstplanänderungen können die Überstunden in die Höhe treiben und zudem für Unmut sorgen, wenn sie spontan passieren. Was geht und was nicht? So reagieren Sie am besten auf kurzfristige Dienstplanänderungen.

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Folgen von übermäßigen Überstunden

Ständig Überstunden wegen Personalmangel zu leisten, kann sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber negative Konsequenzen mit sich bringen:

  1. Gesundheitliche Auswirkungen: Übermäßige Überstunden zermürben das Team und können langfristig zu physischer und emotionaler Erschöpfung führen. Dies erhöht das Risiko gesundheitlicher Probleme wie Burn-out oder Depressionen.
  2. Reduzierte Produktivität: Auf lange Sicht, zermürben Überstunden das Team. Die Beschäftigten werden müde, ineffizient und arbeiten weniger produktiv.
  3. Fehler und Unfälle: Gestresste und überarbeitete Mitarbeiter möchten ihre Arbeit häufig zügig erledigen und sind unaufmerksamer. Das führt zu Flüchtigkeitsfehlern und im schlimmsten Fall zu Unfällen am Arbeitsplatz.
  4. Negative Auswirkungen auf das Privatleben: Zu viele Überstunden können sich auch negativ auf das Privatleben auswirken, da die Arbeitnehmer möglicherweise keine Zeit mehr für Familie, Freunde oder Hobbys haben.
  5. Erhöhte Fluktuation: Besteht keine Aussicht auf ein angemessenes Zeitmanagement, riskiert das Unternehmen schlechte Stimmung im Team, die sogar zu Kündigungen der Mitarbeiter führen kann. 
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Gesetzliche Regelungen

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt die grundlegenden Rechte und Pflichten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer fest und definiert darüber hinaus eine Reihe von Ausnahmen. Zu den allgemeinen Bestimmungen gehört der Acht-Stunden-Tag. Damit ist die Netto-Arbeitszeit gemeint, also die Zeit, in der ein Arbeitnehmer tatsächlich arbeitet und nicht die gesamten, im Unternehmen verbrachten Stunden. Pausen gehören nicht zur Arbeitszeit. 

Frau A beginnt ihren Arbeitstag morgens um 7 Uhr und verabschiedet sich um 17 Uhr in den Feierabend, somit war sie 10 Stunden im Betrieb anwesend. Überschreitet sie damit die rechtliche Vorgabe von acht Stunden? Da Frau A am Vormittag eine halbe Stunde Frühstückspause, mittags eine Stunde und am Nachmittag eine weitere halbe Stunde Pause gemacht hat, stehen exakt acht Stunden auf ihrem Stundenkonto.

Übrigens sieht das Arbeitszeitgesetz maximal eine 6-Tage-Woche vor, sodass insgesamt maximal 48 Stunden pro Woche gearbeitet werden dürfen, ohne dass Mehrarbeit anfällt. Zu den Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz gehört unter anderem eine Ausweitung des 8-Stunden-Tages auf einen 10-Stunden-Tag. Allerdings dürfen Beschäftigte im Durchschnitt innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht mehr als acht Stunden pro Tag arbeiten. 

Im Falle von Frau A könnte eine 6-Tage-Woche während der Vertretung für einen Kollegen durch eine 4-Tage-Woche in dem darauffolgenden Monat ausgeglichen werden. In der zeitlichen Gestaltung sind Unternehmen frei, solange sie sich an die Frist halten und im Durchschnitt die Obergrenze nicht überschreiten. 

Neben dem Arbeitszeitgesetz können auch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder der Arbeitsvertrag Bestimmungen zu der Überstundenregelung enthalten. Sie dürfen jedoch den Arbeitnehmer nicht schlechter stellen, als es die gesetzliche Regelung vorsieht.

Sofern in einem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, der sein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Überstundenregelung wahrnimmt, wird das in einer Betriebsvereinbarung festgehalten. Darin definieren beide Seiten, unter welchen Voraussetzungen Überstunden für die Mitarbeiter angeordnet werden dürfen.

Sonderfall leitende Angestellte: Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG gilt das Arbeitszeitgesetz nicht für leitende Angestellte. Sie erhalten daher in der Regel keine Überstundenvergütung.

Dürfen Mitarbeiter Nein zu Überstunden sagen? 

Wie ist die rechtliche Lage, wenn Arbeitnehmer keine Überstunden machen möchten, weil ihnen die Freizeit und ihre Work-Life-Balance wichtiger ist? Oder wenn ein Beschäftigter mit Familie einfach nicht in der Lage ist, mehr Zeit im Job zu verbringen? Dürfen Mitarbeiter Überstunden ablehnen? Oder müssen Arbeitnehmer Überstunden machen? Es besteht in Deutschland zunächst einmal keine Pflicht zur Leistung von Überstunden. Anders sieht es im Einzelfall aus, wenn z. B. der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung Überstunden vorsehen. Dann hat das Unternehmen das Recht, Überstunden anzuordnen und der Arbeitnehmer darf nicht pauschal ablehnen. Diese Überstunden müssen im Rahmen der gesetzlichen Regeln liegen. Sollte keine Vereinbarung bestehen, darf der Arbeitgeber nur im Notfall auf Überstunden bestehen. Dazu gehört z. B. der Katastrophenfall, wenn das Unternehmen gefährdet ist. 

Die maximale Anzahl von Überstunden ergibt sich aus dem Arbeitszeitgesetz. Ein regulärer 8-Stunden-Tag darf auf maximal zehn Stunden ausgedehnt werden. Bei einer 6-Tage-Woche kann ein Arbeitnehmer im Höchstfall also 60 Stunden arbeiten. 

Sonderfall Sonn- und Feiertag

Sonn- und Feiertage sind keine Werktage. Arbeitnehmer dürfen an Sonn- oder Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden und somit auch keine Überstunden machen. Ausnahmen gelten gemäß § 10 ArbZG, z. B. wenn es sich um Beschäftigte in bestimmten Branchen wie Krankenhäusern, Feuerwehr etc. handelt. Der Samstag hingegen zählt zu den Werktagen. Am Samstag können somit Überstunden geleistet werden.

Lesetipps:

Darf man die Arbeit verweigern? Wann ist Arbeitsverweigerung berechtigt und wann nicht? Lesen Sie hier mehr über die rechtlichen Aspekte!

Unter bestimmten Voraussetzungen muss Sie Ihr gegenwärtiger Arbeitgeber für Bewerbungsgespräche freistellen, d. h. Sie müssen dafür keine Überstunden machen. Jetzt Tipps für die Freistellung für Vorstellungsgespräche erhalten!

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Freizeit oder Geld – wie werden Überstunden vergütet?

Überstunden müssen vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet oder genehmigt werden, nur dann hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung. Ein Arbeitnehmer kann also nicht einfach dreißig Minuten am Tag länger bleiben und dann Überstundenausgleich in Form von Geld verlangen. Die Art der Kompensation kann unterschiedlich sein und hängt vom Vertragsinhalt ab. Für die Vergütung von Überstunden gibt es in Deutschland nicht die eine rechtliche Grundlage, wohl aber eine Reihe von gerichtlichen Entscheidungen und einzelnen Paragraphen. So legt das BGB in §612 fest, dass Überstunden wie normale Stunden vergütet werden: „Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist [...] die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.“

In welcher Art und Weise Überstunden im Unternehmen vergütet werden, finden Arbeitnehmer in der Regel im eigenen Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung. 

Diese Möglichkeiten sind denkbar: 

  • Überstundenvergütung und Überstundenzuschlag: 
    Zusätzlich zur Grundvergütung der geleisteten Überstunden können Überstundenzuschläge anfallen. Diese sind arbeits- oder tarifvertraglich bzw. über Betriebsvereinbarungen geregelt. Ohne diese Regelungen hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Überstundenzuschläge
  • Überstunden werden mit dem Gehalt abgegolten, wenn dies wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart ist
  • Überstundenpauschale: 
    Vertragliche Vereinbarungen, dass Überstunden pauschal mit dem Gehalt abgegolten sind, sind ggf. unwirksam. Für die vertraglichen Klauseln, so auch für die Überstundenpauschalierung, bestehen hohe Anforderungen, damit die Klauseln wirksam sind. Sie unterliegen der Inhaltskontrolle bzw. dem Transparenzgebot gemäß § 307 BGB. Ist eine Klausel nicht klar und verständlich formuliert, ist sie unwirksam. Die Transparenz ist zum Beispiel nicht gegeben, wenn nicht definiert ist, welcher Umfang unter „regelmäßigen Überstunden” zu verstehen ist. 
  • Zeitausgleich: 
    Statt der Auszahlung der geleisteten Überstunden können Unternehmen zum Überstundenabbau auch einen Freizeitausgleich vorsehen. In dem Fall stehen die Details im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in der Betriebsvereinbarung. 

Steuern und Überstunden

Entscheidet sich ein Mitarbeiter gegen den Freizeitausgleich und für die Vergütung von Überstunden, fallen Steuern an. Überstunden werden wie das Grundgehalt versteuert. Sofern der Arbeitgeber einen Zuschlag für Überstunden zahlt, wird auch dieser besteuert. Anders sieht es aus, wenn der Überstundenzuschlag für Arbeit an Feiertagen, Wochenend- oder Nachtarbeit gezahlt wird, dann sind Steuerfreibeträge möglich. 

Besonderheiten von Überstunden und Mehrarbeit

Einige Beschäftigte genießen einen besonderen Schutz, dazu gehören z. B. Schwangere, Auszubildende, Schwerbehinderte und auch Teilzeitkräfte. 

Ein Junge in einer Lagerhalle
Ein Junge in einer Lagerhalle

Überstunden bei Kündigung

Was passiert mit Überstunden, wenn ein Mitarbeiter kündigt? Auch dann gelten die betrieblichen oder tarifvertraglichen Vereinbarungen oder der individuelle Arbeitsvertrag. Üblich sind Ausbezahlung der Überstunden oder Umwandlung in zusätzliche Urlaubstage, sodass der Mitarbeiter das Unternehmen einige Tage oder Wochen früher verlässt.

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FAQ

Hier finden Sie häufig gestellte Fragen: